Notre-Dame ist noch da!
Dieses Bild flimmerte heute früh auf dem sofort eingeschalteten Fernsehbildschirm. Wieder geht es mir so ähnlich
wie seinerzeit nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo. Ich kann an nichts anderes mehr denken. Ich schlafe mit dem Gedanken an Notre-Dame ein und als ich aufwache, ist der Zustand von Notre-Dame das erste, was ich wissen will. Die Nachrichten sind vielleicht nicht gut, aber erleichternd, was den Brand und die Zerstörung des Dachstuhls und des Spitzturmes nicht weniger tragisch machen. Aber die „Struktur“ der Kathedrale wurde gerettet, das wusste ich schon heute Nacht, nur wusste ich nicht genau, was es eigentlich meint. Aber jetzt weiß ich, das gotische Gewölbe steht noch! Die Türme stehen noch! Die Glocken sind noch da und nicht abgestürzt! Die Orgel ist so gut wie nicht beschädigt und die Rosetten(fenster) sind ebenso heil geblieben. Und im Inneren wurden viele Kunstwerke geborgen. Es wurden auch Reliquien aus dem Kirchenschatz geborgen – ein Teil der Dornenkrone, die Jesu getragen haben soll, ist darunter. Das mit den Reliquien ist mir persönlich fremd, aber ich freue mich, wenn sie erhalten wurden für die, denen sie etwas bedeuten. Der Altar ist unbeschädigt und darüber strahlt das Kreuz. Ein symbolisches Bild: ich bin noch da, sagt die Kathedrale. Sie hat den Flammen getrotzt, wohl auch dank der vorsichtigen Arbeit der Feuerwehr. Ich habe gestern oft wütend gedacht, als ich die so winzig wirkenden Löschstrahlen der Feuerwehr sah, warum setzen sie denn nicht diese Löschflugzeuge ein, wenn man sie sofort hätte losfliegen lassen (die Canadaires sind in Marseille stationiert) hätten sie in zwei Stunden spätestens da sein können. Aber, habe ich heute erfahren, sie hätten jeweils 8-10 Tonnen Wasser ungeregelt hinunterplatschen lassen und damit vermutlich mehr zerstört als gerettet.
Heute morgen las ich irgendwo den ruhigen Kommentar einer Mediävistin, der mir gut tat. Kathedralen sind nie fertig, sagte sie. Kathedralen werden im Laufe der Jahrhunderte erbaut, zerstört, brennen ab, werden wieder aufgebaut, um- und angebaut, bekommen neue Elemente und vereinen so verschiedene Stilrichtungen. Das greift etwas auf, was ich sofort dachte, ich würde mir nämlich keinen verklärenden 1:1 Wiederaufbau wünschen. Ich würde mir etwas Neues wünschen, etwas, was Notre-Dame wiederaufstehen lässt, aber die Narben zeigt und gleichzeitig den Übergang zu etwas Neuem, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich wünschte mir einen Architekturwettbewerb und Visionen für das Jahrhunderte überdauernde Herz von Paris.
Notre-Dame wird wieder aufgebaut, versprach Präsident Macron gestern – erste Spender haben sich schon gefunden. Es gibt mehrere Organisationen, wie etwa La Fondation du Patrimoine, wo Sie, so Sie wollen, ebenso etwas spenden können.