Vive Berlin!
Berlin kenne ich noch aus Mauerzeiten, ich kenne es kurz nach der Maueröffnung, als man für einen kurzen Moment dachte, alles, wirklich alles sei möglich, und ich war immer wieder in Berlin. Ich habe liebe Freunde in Berlin. Ich mag Berlin. Ich habe mich dort immer sehr frei gefühlt.
Ich lebe schon so lange nicht mehr in Deutschland, ich kann vielleicht vieles nicht mehr richtig einschätzen. Ich weiß nicht, wie das Leben dort aktuell ist, mit allem, was Sie beschäftigt und umtreibt, aber ich weiß aus Frankreich, wie sich das Leben nach einem Attentat anfühlt. Fassungslos. Verstört. Traurig. Angstvoll. Unwirklich auch, wenn man nicht selbst betroffen ist, aber es bricht einem das Herz. Und die Angst kriecht einem den Nacken hoch. Und alles verklumpt sich zu einem komischen Gefühlsgemisch und man denkt und sagt so allerhand Unqualifiziertes. Ich wünsche uns allen (immer wieder) einen wachen Geist, um nicht in diesem Nebel aus unklaren Gefühlen, Angst, Traurigkeit und vielleicht auch Hass steckenzubleiben. Und den Mut weiterzuleben. Rauszugehen, auf Weihnachtsmärkten Glühwein zu trinken, laut Weihnachtslieder oder was auch immer zu singen und zu leben. Lassen wir uns nicht einschüchtern! Und lassen wir nicht dem Terrorismus das letzte Wort!
Und deswegen schreibe ich hier etwas:
Denn ich finde es unerträglich zu hören oder zu lesen, es sei Merkels Schuld, ihre Flüchtlingspolitik sei Schuld oder es seien „die Toten Merkels“! Unerträglich! Es sind die Toten des Atten-Täters und des IS (hier sagt man Daesh). Es sind die Toten des Terrorismus! Voilà, das wollte ich wenigstens einmal laut gesagt haben.
Die Berliner haben schon viel erlebt, so richtig kenne ich sie nicht, aber ich glaube, wenn eine Stadt ein Attentat weitestgehend unbeeindruckt überleben kann, dann Berlin. Damit meine ich nicht Gleichgültigkeit oder Abgestumpftheit. Ich meine nicht schnodderige Respektlosigkeit gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen. Ich meine dieses “Aufstehen, Staub abschütteln und weitermachen”, diesen Stolz, der sich in Kennedys “Ich bin ein Berliner” spüren lässt. Und wenn Sie in Berlin und anderswo aufstehen wollen und sich versammeln, wenn Sie marschieren wollen, dann stehen Sie auf und marschieren Sie: gegen den Terrorismus! Die Frankreichweiten friedlichen Märsche nach den ersten Attentaten gegen Charlie Hebdo und gegen den jüdischen Supermarkt in Paris, diese friedlichen Versammlungen überall, haben uns hier in Frankreich geholfen und gut getan. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl aller gegen den Terrorismus.
Ich gebe Ihnen noch dieses Zitat von Helmut Schmidt mit auf den Weg, das seit gestern weder kursiert. Schmidt hat es vor vierzig Jahren in einem anderen Zusammenhang gesagt, aber es passt auch heute: